Der Flieger nach Izmir ist nicht mal halbvoll. Mein Sitznachbar, ein nervöser Mittfünfziger mit Regimebärtchen, lässt seine Finger über seine Gebetskette gleiten. Immer wieder verfallen sie in Raserei. Ein paar Reihen hinter mir hat eine Frau einen Kreislaufzusammenbruch und muss betreut werden. Es ist die richtige Einstimmung auf das von Krisen gebeutelte Land.
Die gedrückte Stimmung ist auch in Izmir spürbar. Es wird weniger gelacht. Die Menschen erscheinen mir mürrisch und erschöpft. Nachdem Wirtschaft und Politik den Menschen nun schon seit Jahren Grund zur Sorge geben, erscheint es vielen jetzt so, als ob sich nun auch noch die Natur gegen ihr Land gewendet hat. Immer wieder wird mir dieser Tage von jungen Menschen ein Satz in unterschiedlichen Variationen entgegengebracht, der das gleiche Urteil fällt: Ihr Land sei endgültig am Ende.
Das Wetter steht im Kontrast zu der Stimmung. Ich komme aus einem Deutschland, in dem man sich bereits über 8 °C freute und lange Spaziergänge unternahm, mitten hinein in einen mediterranen Frühlingsanfang. Die Temperaturen schmiegen sich immer wieder den 20 °C an, doch wenn man sich die Kleidung der Menschen anschaut, bekommt man den Eindruck es wäre tiefster Winter. In kurzer Hose wird man angestarrt wie ein Außerirdischer. Natürlich gibt es auch die entsprechende Redewendung „Alman gibi giyinimissin“ – „Gekleidet sein wie ein Deutscher.“
Entlang der Ägäisküste wartet eine mystische Welt auf den Reisenden. In der alten Stadt Ephesus komme ich am frühen Morgen an und genieße den Zauber der Stille, der über den Ruinen liegt, bis die ersten anderen Besucher eintreffen. Adrett gekleidete Japanerinnen nutzen die Kulisse des Amphitheaters für ihr Lifestyle-Portfolio. Ansonsten kommen mir mehrere große Gruppen von gutgelaunten Indonesiern entgegen, die trotz der langsam steigenden Mittagstemperaturen allesamt brav die Schals ihres Reiseveranstalters tragen. Vor den großen Sehenswürdigkeiten lassen sie sich von ihren Führern immer wieder zu lautstarken und gestenreichen Gruppenfotos motivieren.



Ganze zwei Stunden schiebe ich noch am selben Tag mein Fahrrad eine Schotterstraße hoch, weil ich mich für schlau genug hielt, eine kleine Abkürzung zu nehmen. Als ich mich endlich auf den Abstieg mache, kommt mir nach wenigen Kilometern ein sportlicher Rentner auf seinem alten Drahtesel entgegen. Seine Frage, ob ich deutsch spreche, kann ich glücklicherweise bejahen und so stellt sich heraus, dass Cevdet für fünfzehn Jahre in meiner Heimatstadt Hildesheim gelebt hat. Die Welt ist klein. Schon eine halbe Stunde später sitze ich in seiner gemütlichen Gartenlaube.
Cevdet verlebte glückliche Jahre in Deutschland, heiratete, machte Karriere in einem Betrieb, bekam mit seiner Frau zwei Kinder und genoss die freie Zeit im Schrebergarten oder beim Kicken im türkischen Fußballverein. Als schließlich sein langjähriger Chef in den Ruhestand ging, merkte er unter den Auswirkungen im Betrieb, dass es für ihn Zeit war zurück in seine Herzensheimat zu kehren. Das in Deutschland gesparte Geld reichte für ein Häuschen mit Garten in einer Wohnungskooperative. Im selben Jahr in dem seine Frau früh verstarb, kam seine Enkeltochter Ecrin zur Welt.

Seitdem ist er Vollblut-Großvater und lebt ein so diszipliniertes Leben, dass man ihm seine Zeit in Deutschland anmerkt, meint sein Sohn. Morgens kommt seine Enkelin zu ihm und wird für die Schule vorbereitet. Die freie Zeit bis zum Kochen nutzt er, um mit dem Rad in die nahen Berge zu fahren, bevor er dann wieder Zeit mit Ecrin bis zum Feierabend ihrer Eltern verbringt. Ich habe die Freude sie kennenlernen zu dürfen, sie zeigt mir ihr Englisch und hilft mir ein wenig mit meinem Türkisch. Als sie nach einer kurzen Wortfindungspause sagt, dass ihr „dede“ Cevdet und Hund Arab ihre besten Freunde seien, erscheint ein Lächeln auf dem Gesicht ihres Großvaters, das den Junggebliebenen noch 30 Jahre jünger erscheinen lässt.

Am nächsten Morgen begleitet mich Cevdet zum Stadtrand, aber gibt mir dabei noch eine kleine Stadttour. Ohne Absprache stehen wir plötzlich vor dem Büro der Lokalzeitung, man reicht mir ein Brot vom preisgekrönten Bäcker, das Cevdet und ich effekthascherisch in die Kamera halten, während wir gefilmt werden und Cevdet von meinem Vorhaben erzählt. Auch wenn der große Ruhm wohl ausbleiben wird, kann ich immerhin das leckere Brot behalten. Ich mache mich auf den Weg zur Küste, aber finde keinen Gefallen an den grotesk angewachsenen Städten mit den angrenzenden Schuttdeponien vom Bauboom. Stattdessen hoffe ich im Landesinneren ein wenig unberührte Natur zu finden und komme pünktlich zum Sonnenuntergang am Bafa See an.


Von hier aus führt mich mein Weg in die Berge Richtung Muğla. Es ist immer wieder faszinierend, wie schnell sich die Natur bei den Anstiegen verändert. Während an der Küste entlang die Zitrusfrüchte üppig von den Bäumen hängen, kann man auf 800 Metern noch die Blüte der Akazien bestaunen. Hier in den Bergen gibt es eine unglaubliche Anzahl von mir fremden Singvögeln. Manchmal begleitet mich einer von ihnen ein Stück des Weges, hält mit Leichtigkeit mit mir mit und kreuzt immer wieder in wellenförmiger Flugbahn die Straße. In solchen Momenten steht die Zeit still und ich fühle mich wie in einem Disneyfilm. Auch die Olivenbäume haben etwas Surreales und ich werde nicht müde sie mir im Vorbeifahren anzuschauen. Umso älter sie werden, desto besser kommen ihre Kauzigkeiten zur Geltung. Damit ähneln sie uns Menschen. Man findet keine zwei, die sich gleichen und manche erinnern an uralte Wesen, die in der Bewegung erstarrt sind.


Auch wenn die Freiheit und die Natur dieses Lebens unendlich viel wert sind, machen mir die Entbehrungen doch anfangs noch sehr zu schaffen. Wie immer sind es die Gerüche, die mich bewegen. Während die rauchige Bergluft Abenteuer und der Küstenwind Sommer verheißen, werde ich auch ein wenig melancholisch, wenn ich nach einem morgendlichen Schwimmen in einem kalten See ein neues Hemd anziehe und der wohlig, heimelige Geruch des Weichspülers einen stellvertretend daran erinnert, was man für all das Abenteuer eben auch verpasst.


Für das Wochenende ist Starkregen angesagt und so spute ich mich rechtzeitig nach Fethiye zu gelangen, um den Luxus eines Hostels zu genießen. Es ist ein schönes Gefühl im Wintergarten des Hauses zu sitzen, während der Regen sein Stakkato auf die Fenster niederprasseln lässt. Nach ein paar Tagen Internetabstinenz ist die Vorfreude darauf groß, aber ich merke, dass es abgesehen von einigen Telefonaten doch nichts sinnbringendes gibt und freue mich auf die Weiterfahrt.




Die kommenden dreihundertfünfzig Kilometer führen mich an einer Küstenstraße mit großartigen Ausblicken entlang. Die Berge steigen bereits an der Küste so steil an, dass nicht viele Städte an dieser Strecken liegen. Eine von ihnen, Demre, hat irritierenderweise den Weihnachtsmann in einer Darstellung im Stadtwappen, wie er durch die Coca-Cola-Werbungen seine populäre Verbreitung fand. Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Es soll mehrere Wochen dauern, ehe ich herausfinde, dass damit dem historischen Nikolaus von Myra, der in der Stadt im dritten Jahrhundert nach Christus gewirkt hat, Geltung getragen werden soll. Gute Idee, sehr nachvollziehbare Umsetzung.


Nach einer weiteren kleinen Regenpause in Antalya fahre ich weiter die Küste entlang, aber habe angesichts meiner Umgebung ein Stimmungstief. Es ist die reinste Parallelwelt. Wenn das Angebot wirklich von der Nachfrage erzeugt wird, dann könnte man annehmen, dass die Touristen ausschließlich an die türkische Riviera kommen, um sich mit Markenimitaten, Pelz- und Lederprodukten einzudecken und sich den Pelz zu verbrennen. Dabei wird das Marketing nicht müde zu betonen, dass alles „traditional“ ist. Wenn ein Türke auch nur ein paar Worte englisch spricht, dann ist dieses inflationär genutzte Adjektiv mit Sicherheit dabei.
Die Hotels versuchen mit ihrer Architektur und ihrem Auftritt etwas „Herrschaftliches“ auszustrahlen, tragen „royal“, „palace“ und „imperial“ im Namen, doch ihre Kunden sind es nicht. Es ist ein allzu naheliegender und wahrscheinlich eben deshalb so verachtenswerter psychologischer Schachzug, die Menschen mit dieser Idee zu ködern. Zwei andere Hotels gehen vermeintlich innovative Wege; sie heißen „Nirvana“ und „Delphin Diva“ und in jedem Ort kam ein Investor auf die Idee, dem Hotel die Form eines Ozeandampfers zu geben, wobei das Ergebnis jedes Mal ähnlich bescheiden ausschaut. Ich beschließe mich mit meinem Unmut und meiner notorischen Grantelei nicht länger abzugeben und suche mein Seelenheil wieder einmal in den Bergen.
Schon nach wenigen Kilometern bergauf hört mein Film auf, es wird stiller um mich und ich finde ein wenig Ruhe. Es hat letztlich ja auch immer ein gewisses „Geschmäckle“, wenn Individualreisende sich in ihrer selbstherrlichen Art über den Pauschaltourismus auslassen. Auf der Straße sind fast keine Autos unterwegs, doch die Gegend um mich herum wirkt verstörend kahl und tot. 2021 hatten Waldbrände in dem riesigen Areal gewütet. In der Ferne lassen sich bereits die ersten schneebedeckten Gipfel erkennen. Mir dämmert es, dass die spontane Entscheidung wohl auch einen Preis haben wird, aber noch nie bin ich meinem eigenen Ungemach mit so guter Laune entgegengefahren.


Am nächsten Tag zeigt sich der Grund warum ich fast keine Autos traf. Die Straße scheint offiziell wegen Bauarbeiten noch gesperrt zu sein und durch die Regenfälle der letzten Tage steht mir eine Schlammschlacht bevor. Als ich gerade grübele, was zu tun ist, hält Tuncay mit seinem Hund Bela in einem großen Transporter neben mir an. Schnell schlucke ich meinen Radlerstolz runter und bin froh ein Stück mit ihm mitzufahren. Wir unterhalten uns in einer wilden Mischung aus Englisch, Deutsch und Türkisch. Mit Tuncay zu quasseln, Bela zu schmusen, mit ihm Zigaretten zu rauchen und das wohlige Gefühl zu haben, ohne eigenes Zutun voranzukommen, das macht mich glücklich und erinnert mich an vergangene Tramper-Abenteuer.

Ich habe es nicht eilig und komme mit zu der Fabrik in einem Bergdorf, in der Tuncay „Pekmez“ und „Lokum“ abholt. Ich darf nicht helfen die Ware zu verladen und so telefoniere ich stattdessen mit Tuncays Frau, die deutsch spricht und mir von ihren beiden Kindern in Niedersachsen und dem Leben in Antalya erzählt. Sie lädt mich zu ihnen ein und sagt leichthin, dass ich nun auch einer von ihren Söhnen sei. Es ist diese ehrliche, einfache Herzlichkeit – mit der ich und wir uns in Deutschland im Allgemeinen so schwertun – die ich in der Türkei jedes Mal aufs Neue schätze.


Aus eigener Kraft arbeite ich mich schließlich langsam weiter hoch. Die winterliche Landschaft bekommt mit dem Einbruch der Dunkelheit etwas Bedrohliches, der Ackerboden ist überall so aufgeweicht, dass Zelten nicht in Frage kommt. Mit dem letzten Tageslicht habe ich letztlich Glück und finde eine hölzerne Ausguckplattform. Allerdings dauert es lange, bis ich allein bin. Viele Jugendliche fahren aus den nahen Dörfern hierher, genießen den Sonnenuntergang aus ihren Autos heraus, rauchen Zigaretten und trinken Bier. Wenn man sich die Scherben anschaut, die überall liegen, kann ich mir gut vorstellen, wie die leeren Bierflaschen mit Wut an die Steine gescheppert werden, bevor man ins konforme Leben und unter die Fuchteln der Familie zurückkehrt.

Am nächsten Tag leitet mich meine Navigation in dem Bestreben sich den großen Straßen fernzuhalten auf lehmige Feldwege, in denen ich immer wieder steckenbleibe und durch kleine Dörfer, die in diesem spätwinterlichen Wetter ganz und gar nicht wohnlich ausschauen. Viele Häuser sind verwaist und es waren auch Einwohner dieses kargen Landstriches, die in den 70er Jahren das beschwerliche Leben hier satthatten und sich ein besseres in Istanbul oder Westeuropa erhofften.


Ein letzter Pass trennt mich von der anatolischen Hochebene. Hier auf 1600 Metern ist die Landschaft deprimierend. Die Jahreszeiten scheinen in ihrem Wettstreit um die Oberhand in einem kraftlosen Patt zu stehen. Auf den Gipfeln liegt zwar noch Schnee, aber die schmächtige Märzsonne reicht noch nicht aus, um in dem unfruchtbaren, im Wasser stehenden Boden das Leben erblühen zu lassen.

Um in der Nacht nicht zu sehr zu frieren, möchte ich gerne weiter unten im Tal mein Lager aufschlagen, aber es fängt plötzlich an stark zu regnen. Schon nach kurzer Zeit bin ich so durchnässt, dass es sich nicht mehr lohnt, nach den anderen Regensachen im Gepäck zu kramen. Resigniert mache ich mich an den Abstieg. Aus der Ferne ertönt in der Dämmerung ein mächtiges Bellen, das allen Anschein nach näherkommt. Nach einer weiteren halben Minute sehe ich zwei riesige Kangals auf mich zupesen. Ich trete mächtig in die Pedale und hoffe inständig, dass ich ihren Stichweg zur Straße vor ihnen erreiche. Die Ungeheuer verfolgen mich tatsächlich noch für eine weitere Minute, ehe sie wieder in der Dunkelheit verschwinden.
Im Dunkeln ist es immer schwierig einen Schlafplatz auszumachen. Umso mehr, wenn einem bitterkalt ist, es immer noch regnet und die Anspannung einen nicht loslässt. Ich suche verzweifelt nach einem Unterstand. Nach weiteren zehn Kilometern nehme ich die erstbeste Möglichkeit und schlage mein Lager unter dem Vordach einer Autobahnmoschee auf. Der Wind dreht und der Regen wird zu Schnee, der sich am Morgen auch auf meinen Schlafsack gelegt hat. Mein Schlaf war sehr unruhig und bin ich froh, als mein Wecker die Nacht kurz vor dem ersten Gebetsruf beendet. Es sind ganz sicher nicht solche Nächte, wegen derer ich das Leben unterwegs schätze, aber sie gehören manchmal eben dazu.
Bis nach Konya sind es noch sechzig Kilometer. Auf meinem Seitenstreifen der Autobahn liegt all der Schneematsch, den die Räumfahrzeuge dorthin verlagert haben. Die ersten fünf Kilometer bin ich ganz aufgeregt ob des Abenteuers; auf meiner Reise bin ich noch nie durch Schnee gefahren. Die nächsten fünf Kilometer wird mir langsam kalt und die Einsicht kommt, dass es nicht leicht wird. Nach zwei weiteren Kilometern hält ein VW-Bus an und ich kann mit meinem Fahrrad im Kofferraum Platz nehmen. Es ist immer wieder verwunderlich, wie viel Glück man unterwegs hat.
Konya suche ich neben meiner Neugierde gewissermaßen auch auf, um eine Schuld gutzumachen. In Istanbul hat man schnell verstanden, dass Konya für alle progressiven Türken der Inbegriff eines rückwärtsgewandten, religiösen Anatoliens ist. Dieses Wissen habe ich zu Hauf genutzt, um mit Witzen über die Stadt Lacher bei dem eigenen türkischen Klientel einzuheimsen. Es wird also Zeit mir ein eigenes Bild zu machen.

Die kommenden drei Tage bin ich über „Couchsurfing“ bei Ismailbey zu Gast. Der charmante und gutherzige 60-jährige genießt es Gäste bei sich zu haben, um die Welt besser kennenzulernen und sein Englisch und Französisch aufzufrischen. Nach den Wochen an der Küste ist die Zweimillionenstadt eine Wohltat. Die Menschen sind freundlich, ehrlich und alles ist angenehm unaufgeregt. Weil es neben der Besichtigung des Mevlana-Museums und der Grabstätte des berühmten Sufi-Philosophen, der im Westen unter dem Namen Rumi bekannt ist, nichts besonders viel zu tun gibt, genieße ich die Tage vornehmlich in Kaffeehäusern, probiere die Köstlichkeiten der Stadt und lass mich im Hamam quälen.



Natürlich verstehe ich als „Fremder“ und als Mann die Stadt und die Sozietät nicht wirklich zu lesen und so kann ich den „Kampf der Kulturen“, der in der Türkei herrscht nur erahnen. Während die modernen, säkular eingestellten Menschen der Großstädte sich von dem Konservativismus Konyas bedroht fühlen, sehen die traditionell eingestellten Menschen der Stadt sich von den westlichen Ideen und dem „Verfall der Sitten“ herausgefordert. Es scheinen die immer gleichen Spannungen zu sein, die ihren Ursprung auch in den drastischen Modernisierungsreformen Atatürks zu Beginn der Republik haben.

Beim Verlassen der Stadt kommt mir in den Vororten ein großer Kangal mit einem Huhn im Maul entgegen. Nur wenige Kilometer später machen sich zwei andere Riesenhunde über irgendeinen blutigen Kadaver her, der vielleicht einmal eine Ziege gewesen sein mag. Wenig später sind hinter einer Autobahnbrücke auf beiden Seiten der Straße um die sechzig Straßenhunde. Es sind zwar nur wenige, die aggressiv bellend die Verfolgung aufnehmen, aber inmitten dieses Meeres an Tölen, schafft es eine bedrohliche Atmosphäre. Um nicht noch mehr Jagdreflexe wachzurütteln, steige ich schnell ab und schiebe. Ein Autofahrer hält besorgt an und versucht mir mit Hupen Rückendeckung zu geben.


Wenig später wird meinem Traum zügig voranzukommen wieder ein jähes Ende gesetzt. Nach den Matscheskapaden der vergangenen Tage habe ich mir in meiner Navigation die Straßenoberflächen penibel angeschaut, aber das bewahrt mich nicht davor, dass ich mich plötzlich wieder auf einem völlig versumpften Feldweg befinde. Ich bin nicht geistesgegenwärtig genug, um umzukehren, schaffe in zwei Stunden nur wenige Kilometer und muss schließlich in einer ganz verwaisten Gegend aufgeben.

Zwar stehen keine Pfützen auf dem Weg, aber der durchweichte, lehmige Boden bleibt am Reifen hängen, sammelt sich unter meinem Schutzblech an den Bremsen und die Reifen blockieren schließlich komplett. Mehrere Male versuche ich die Pampe zu entfernen, montiere das Schutzblech enger, aber es will alles nichts helfen. Das nächste Dorf ist noch 10 Kilometer entfernt und mir ist zum Heulen zu Mute, weil ich fast kein Wasser bei mir habe. Ich gebe mich geschlagen, schlage mein Lager auf, demontiere die Reifen und kratze alles gründlich ab. In der Nacht wird es frostig und so stehe ich noch vor dem Sonnenaufgang auf, weil ich mir bei dem angefrorenen Boden bessere Chancen erhoffe. Glücklicherweise gelingt die Flucht, denn ich hätte nicht gewusst, was ich sonst gemacht hätte.
Umso näher ich dem Taurusgebirge komme, desto steppenhafter wird die Landschaft. Weil ich mich häufig über meine eigene Bequemlichkeit ärgere, schlage ich den steileren Weg zurück zur Küste über einen 2200 Meter hohen Pass ein. Der beschwerliche Aufstieg dauert fast vier Stunden und als ich gerade in einem Bergdorf das Wasser auffülle, gibt mir ein Dorfbewohner zu verstehen, dass die Straße gesperrt sei. Als ich ihn nach einem Ort frage, um Tee zu trinken, lädt er mich zu sich nach Hause ein und ich komme gerade rechtzeitig um mit ihm und seiner Ehefrau frische Gözleme zu essen.



Ich erfahre, dass die Straße nur ein Feldweg und dazu noch teils noch verschneit sei und es in den Bergen viele Wölfe gebe. Auch wenn ich bezüglich offizieller Anweisungen ansonsten eher übermütig und eigensinnig bin, erscheint mir nach den Erfahrungen der letzten Tage die Kombination aus Steckenbleiben und Wölfen abschreckend genug. Es ist wenig erbaulich nach insgesamt sechs Stunden Fahrt wieder am gleichen Ort zu sein, aber unglücklich bin ich trotzdem nicht.

Wenn euch dieser Artikel gefallen hat und ihr zufällig eine Münze erübrigen könntet, würde ich mich sehr freuen, wenn ihr mein Spendenprojekt für “Ärzte ohne Grenzen” über diesen Link unterstützen würdet. Aufgrund von Missverständnissen hier nochmal deutlich: Die Spenden gehen direkt an Ärzte ohne Grenzen e.V. und ich ziehe keinerlei Profit.






Hallo Christopher
Vielen Dank für Deine interessanten Reiseberichte.
Hoffentlich bist Du dieses Jahr zu Hause geblieben, bei dem schied Wetter ist es ja doch sehr ungemütlich unterwegs zu sein. War voriger Jahr in Rom und in der Bretagne und dieses Jahr auf der Seine auf den Spuren der Impressionisten unterwegs und bald geht es in die Niederlande,
ich würde mich freuen wieder etwas von Dir zu lesen oder zu hören.
Wünsche Dir alles Gute.